Vietnamesische Vertragsarbeiter
Nach dem Krieg befand sich Vietnam in der Wirtschaftskrise mit einer hohen Arbeitslosenquote, Lebensmittelknappheit, Materialmangel, Auslandsschulden etc. Seitens der DDR wurden in den 80er Jahren aus befreundeten Staaten Arbeitskräfte angeworben, um den Arbeitskräftemangel auszugleichen und die Produktion zu erhöhen. In diesem Kontext wurden das „Abkommen über die zeitweilige Beschäftigung und die Qualifizierung vietnamesischer Werktätiger in Betrieben der DDR“ am 11.04.1980 und die Neufassung am 01.07.1987 von der DDR und der Sozialistischen Republik Vietnam (SRV) unterzeichnet. Infolgedessen kamen vietnamesische Vertragsarbeiter in die DDR. Anfangs waren es ehemalige Soldaten, Nachkommen von Widerstandskämpfern, junge Soldaten-Witwen und später andere Vietnamesen aus fast allen sozialen Schichten.
Die im Abkommen geregelte Beschäftigungsdauer betrug zunächst 4 Jahre, ab 1987 fünf Jahre. Der Arbeitsvertrag konnte vorzeitig vom jeweiligen Betrieb, mit Zustimmung des Staatssekretariats für Arbeit und Löhne und der vietnamesischen Botschaft in der DDR, gekündigt werden, wenn es Verstöße gegen die Strafgesetze der DDR, gegen das Bürgerrecht, gegen die Heimordnung gab oder wenn dauerhafte Arbeitsunfähigkeit, Schwangerschaft, etc. bestanden. Die Vertragsarbeiter erfüllten durch den monatlichen Beitrag von 12% ihres Lohnes die Verpflichtung zum „Aufbau und Schutz der Heimat“. Jährlich durften sie ihren Familien in Vietnam sechs Warenpakete zollfrei zuschicken, z.B. maximal zwei Mopeds, fünf Fahrräder, zwei Nähmaschinen, 150 Meter Stoff und 100 kg Zucker.
Die vietnamesischen Vertragsarbeiter arbeiteten überwiegend in der Textil- Bau- und Metallindustrie an Arbeitsplätzen, die von den meisten deutschen Arbeitern wegen Fließbandarbeit, Schichtarbeit oder körperlicher Schwerarbeit abgelehnt wurden. Sie wurden in maximal drei Monaten beruflich geschult und waren total von einem Dolmetscher/ Sprachmittler abhängig.
Mit dem Zusammenbruch der DDR 1990 und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten veränderte sich die Lage der vietnamesischen Vertragsarbeiter stark. Rund 34.000 Vertragsarbeiter kehrten freiwillig mit einer Abfindung von 3000 DM nach Vietnam zurück. Die übrigen Vietnamesen versuchten weiter in Deutschland zu bleiben, entweder indem sie einen Asylantrag stellten, indem sie zur Sicherung ihrer Existenz schnell einen Reisehandel gründeten oder sogar unverzollte Zigaretten verkauften.
Mit der Bleiberechtsregelung von 1993 wurde der Aufenthaltsstatus der ehemaligen Vertragsarbeiter geregelt. Eine befristete Aufenthaltsbefugnis wurde ihnen erteilt unter bestimmten Voraussetzungen: keine Straffälligkeit, keine Inanspruchnahme von Sozialhilfe, etc. Diejenigen, die von Sozialhilfe lebten, erhielten eine Duldung mit Erwerbsstätigkeitserlaubnis. Infolge der Bleiberechtsregelung von 1993 entschieden sich die meisten verbliebenen Vertragsarbeiter für die Selbständigkeit, z.B. Gründung von Restaurants, Imbissstuben, Blumenhandel, Textilhandel, Obst-Gemüsehandel usw.
Die Änderung des Ausländergesetzes 1997 brachte den ehemaligen Vertragsarbeitern endlich Rechtssicherheit, wobei es sich um die Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis handelt. Dementsprechend holten viele ehemalige Vertragsarbeiter ihre Familien im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland. Diese Änderung ermöglichte den ehemaligen Vertragsarbeitern und ihren Familienangehörigen, sich eine dauerhafte Existenz in Deutschland aufzubauen. Bis 2002 gab es etwa 14.000 ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter und etwa 20.000 insgesamt mit ihren Familienangehörigen in Deutschland. Sie lebten meist in den neuen Bundesländern, wie in Berlin – Brandenburg, in Sachsen, in Thüringen, usw.
Author: Diem Quynh Le
Quellen
Raendchen, Oliver, 2000. Vietnamesen in der DDR. Ein Rückblick, S.5ff; Ebd., S.14 ff; Wolf, Bernd, 2007. Die vietnamesische Diaspora in Deutschland, S.7; Weiss, Karin, 2005. Nach der Wende: Vietnamesische Vertragsarbeiter und Vertragsarbeiterinnen in Ostdeutschland heute, S.82.